25. bis 26. März 2011 – Wiesbaden | Die wichtigste Fortbildung fand wieder im sonnigen Wiesbaden statt, welches einmal mehr durch seine vielen Jugendstil- und klassizistischen Bauten bestach. 18 spezialisierte Zentren(Sportmedizin, Rheumatologie, Wirbelsäulen-, Hand-, Schulter-, Hüft-, Knie-, Fußchirurgie, etc.) stellten ihre Topbeiträge der nationalen und internationalen Fachliteratur vor(mehr als 100000 Artikel reduziert auf die Top 50), um den aktuellen orthopädischen Wissensstand zu definieren. Manche „Bauchentscheidung“ aus der täglichen Praxis fand seine Bestätigung. Die „nationalen Versorgungsleitlinien“ unterstreichen nochmals unseren Weg in der orthopädischen Privatpraxis, der herausragenden Bedeutung des Arzt-Patientengespräches für den Krankheitsverlauf. Aufgabe des Arztes ist es, das Selbstvertrauen des Patienten in die eigenen regenerativen Kräfte zu stärken.
Das Motto muss lauten:
„Das Leben findet vorne statt, der Blick nach hinten hilft uns nicht weiter.“
Statements
Kniegelenksarthrose:
- Übergewicht hat eine überragende Bedeutung für die Entwicklung einer Kniegelenksarthrose. Ein Body-Mass-Index (BMI) von >30 (= ca.x3=90 kg Körpergewicht) steigert erheblich die Erkrankungswahrscheinlichkeit. Eine Reduktion des Körpergewichtes um 20% konnte den Schmerzlevel bei bestehender Kniegelenksarthrose halbieren.
- Eine Schuhrandversorgung von 0.4 -0.6 cm hat sich als positive Begleittherapie bei der Behandlung der Kniegelenksarthrose erwiesen. Durch Orthesen des Sprunggelenkes (Aircast) kann der Effekt gesteigert werden, da der kompensierende Effekt des unteren Sprunggelenkes ausgeschaltet wird.
- Eine Beinlängendifferenz von > 1cm verschlechtert bei bereits vorhandener Kniegelenksarthrose die Arthrose auf dem kürzeren Bein.
- Gelenkspiegelungen (= Arthroskopie), die nur als Spülung und Entfernung arthrotischer Randzacken durchgeführt werden sind einer Behandlung mit Placebo (=Scheinmedikamente) nicht überlegen.
- Eine Behandlung mit elektromagnetischen Feldern hat keinen Effekt.
- Die Röntgenschmerzbestrahlung bei Kniegelenksarthrose brachte eine Schmerzreduktion bei 40% der Patienten für 1 Jahr/ 28 % dauerhaft. (keine Doppelblindstudie)
- Hyaluronsäureinjektionen erzielten einen positiven Effekt in puncto Funktion und Schmerz bei der Sprunggelenksarthrose.
Osteoporose:
- Osteoporose ist nicht nur eine Frauenerkrankung. Bei über 50 jährigen Männern liegt häufig einem Knochenbruch eine Osteoporose zugrunde (Hüftgelenk 58%, Oberarm 36%, Handgelenk 23%). Hüftgelenksbrüche verlaufen in 30% der Fälle im ersten Jahr nach dem Unfall tödlich. Eine erhöhte Eiweißzufuhr reduziert das Hüftknochenbruchrisiko.
- Als Osteoporoseprophylaxe wird für ein effektives Vitamin D-Serumniveau (25(OH)D = 30-44 ng/ml) eine tägliche Gabe von 1800- 4000 IU vorgeschlagen. Demgegenüber ist die tägliche Kalziumgabe wegen der möglichen Herznebenwirkungen der Nahrungsaufnahme (Milchprodukte) anzupassen. Keine starre 1000 mg Tagesration! Osteoporosemedikamente müssen lebenslang eingenommen werden. (Evtl. nach 5 Jahren- 1 Jahr Pause = Drug Holiday).
- Nur intensives Krafttraining, auch wenn erst nach dem 65. Lebensjahr damit begonnen wird, hat einen positiven Effekt hinsichtlich des Sturzrisikos und der Osteoporosevorbeugung. Dagegen bleiben niedrig-intensive Fitnessprogramme wirkungslos. Das Maximaltraining (=60-85 % des Einmalwiederholungsmaximums) dient dem Rücken als Kompensationstraining bei plötzlich einwirkenden äußeren Lasten im Alltag. Trainingsschwerpunkt: Rücken-, Gesäß- und hintere Oberschenkelmuskulatur. Neben einem regelmäßigen Krafttraining ist zwingend ein regelmäßiges Gleichgewichtstraining erforderlich. Die oft in die Debatte geführten Nebenwirkungen sind extrem selten, sodass selbst bei herzkranken Patienten das Kraftleistungsvermögen bisher viel zu gering angesetzt wurde.
Rheumatologie
- Es dauert im Schnitt 6-7 Jahre bis die Diagnose einer Rheumatischen Erkrankung als Ursache für Rückenschmerzen gestellt wird. Im Röntgenbild sind erst nach 4-5 Jahren typische Veränderungen zu erkennen, dagegen weist das MRT diese im Kreuzbein- Darmbeingelenk schon innerhalb eines Monats nach Erkrankungsbeginn auf.
Schultererkrankungen
- Bei Schultersehneneinrissen ist der limitierende Faktor der gewebliche Umbau der dazugehörigen Muskulatur. Eine französische Forschungsgruppe hat festgestellt, dass diese erst ca. 2,5 Jahre nach Symptombeginn eintreten, sodass ein nicht operativer Behandlungsversuch (= Physiotherapie u.a.) auch über diese Zeit medizinisch begründet ist.
Wirbelsäulen-/Bandscheibenerkrankungen
- Eine operative Therapie (Bandscheibenoperation/Versteifung/Bandscheibenprothese) bei Bandscheibenvorfällen/ Wirbelkanaleinengungen/ Instabilitäten zeigt sich nur kurzfristig (2-3 Monate) gegenüber einer konservativen (nicht-operativen) Behandlung als überlegen. Die Patientenzufriedenheit weist laut einer amerikanischen Großstudie nach 1-2 Jahren keine Unterschiede mehr auf. Aufgrund der schwerwiegenden Komplikationen (>4%) sollte nur in seltenen Fällen operativ vorgegangen werden. Einer intensiven Schmerztherapie unter Ausnutzung der Physiotherapie/ eigenständigem Üben/Reha ist immer der Vorzug zu geben!
- Lendenwirbelsäulenbandagen entlasten wirksam den unteren Rücken bei plötzlich auftretenden Alltagsbelastungen.